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Komponieren unter Verdacht

Symposium zu Pascal Bentoiu und Stefan Niculescu an der Universität Oldenburg, 23.-25. November 2007
Organisiert von Prof. Violeta Dinescu, Jörg Siepermann und der International Enescu Society

Symposium

[ English version ]

Je rigoroser eine Diktatur ist, desto mehr achtet sie ihre Musik. In der Verfertigung verbindlicher theoretischer Leitlinien und ihrer praktischen Durchsetzung kommt den Diktaturen der Sowjetunion und der Volksrepublik Rumänien eine besondere Rolle zu: Nirgendwo sonst wurde die ideologische Anpassung der Musik so konsequent wissenschaftlich betrieben wie in diesen beiden Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Während sich jedoch die Komponisten der Sowjetunion einer ständigen internationalen Aufmerksamkeit gegenüber sahen, erfolgte die Kontrolle der rumänischen Musik in einem hermetisch abgeschlossenen Prozess, über den kaum Informationen ins Ausland gelangten.

Der Maßstab für die Entwicklung einer neuen, nicht den Traditionen verbundenen Musik war der von Chrennikov etablierte Sozialistische Realismus, der für den gesamten Ostblock verbindlich war, in Rumänien jedoch besonders streng durchgesetzt wurde. Die noch Ende der 40er Jahre in Rumänien gegründete "Kommission zur Regelung des Kunstschaffens" sollte ebenso nachdrücklich wie präzise "die Tätigkeiten der Komponisten in geregelte Bahnen führen", indem sie jährlich rund tausend rumänische Kompositionen analysierte, ausgewertete, freigab oder verbot, und den Komponisten konkrete Hinweise für die Verbesserung ihrer Werke gab. Der Musikwissenschaftler Octavian Lazar Cosma schreibt über die Atmosphäre der 50er Jahre: "Komponisten wurden entlassen, marginalisiert, manche verhaftet und zum Bau des Donau-Schwarzmeerkanals geschickt; man inszenierte auch öffentliche Arbeitssitzungen mit Musikern, denen man gesellschaftliche Anklagen vorwarf, die schwer wiegende Auswirkungen auf ihre berufliche und musikalische Laufbahn haben sollten."

Ein Großteil der rumänischen Komponisten unterwarf sich dem Diktat und begann, Massenlieder und Hymnen auf Stalin zu schreiben. Einige wenige jedoch verließen den von der Partei gesteckten Rahmen und nahmen Sanktionen in Kauf.

Pascal Bentoiu und Stefan Niculescu, beide 1927 noch im Königreich Rumänien geboren, begannen ihre musikalische Laufbahn unter sehr ähnlichen Voraussetzungen. Beide lernten Komposition beim Enescu-Schüler Mihail Jora und waren einerseits beeinflusst von der Musik George Enescus, der rumänischen Folklore und der byzantinischen Musik, andererseits von der westeuropäischen Avantgarde der Nachkriegszeit. Trotz dieser Ähnlichkeiten entwickelten sie völlig unterschiedliche, individuelle Musiksprachen, Systeme und Methoden. Sie schufen Brücken zwischen Ost und West, zwischen Tradition und Zukunft

Trotz Lehr- und Aufführungsverboten (Niculescu erhielt jedoch 1993, im Alter von 66 Jahren, eine Professur in Bukarest) haben sowohl Bentoiu als auch Niculescu ein umfangreiches Werk vorgelegt, das fast alle Gattungen umfasst und in Europa seinesgleichen sucht. Stefan Niculescu wurde von György Ligeti als "einer der großen Komponisten unserer Zeit" bezeichnet.

Das Symposium "Komponieren unter Verdacht - Pascal Bentoiu und Stefan Niculescu" möchte das Werk der beiden Komponisten beleuchten, die heute zu den bedeutendsten Rumäniens zählen, ohne dass ein direkter Vergleich zwischen ihnen überhaupt möglich wäre. Ein weiteres Thema wird die ungewöhnliche politische und ästhetische Situation im Rumänien der Nachkriegszeit sein. Ein Konzert mit professionellen Musikern aus dem Umkreis der Komponisten soll einige ihrer Werke vorstellen. Eingeladen sind Musikwissenschaftler aus Deutschland, Rumänien, Frankreich und Großbritannien, deren Beiträge sowohl die musikhistorische und politische Situation Rumäniens als auch Einzelaspekte im Werk der beiden Komponisten behandeln werden.

Pascal Bentoiu und Stefan Niculescu haben in diesem Jahr beide das 80. Lebensjahr erreicht. Es wird Zeit, auf ein Komponieren zwischen Feudalismus, Stalinismus, Nationalkommunismus und Demokratie zurück zu blicken, auf ein Komponieren zwischen Zeiten, die widersprüchlicher kaum sein können.


Die Veranstaltung findet im Rahmen der Symposiumsreihe "Zwischen Zeiten - Shifting Times" statt, die 2006 mit einem weltweit beachteten Symposium zu George Enescu an der Universität Oldenburg begonnen wurde. Weitere Symposien werden in den nächsten Jahren folgen.

Pascal Bentoiu (geb. in Bukarest am 22. April 1927) studierte 1943-48 an der Musikakademie Bukarest (Komposition bei Mihail Jora) sowie 1945-47 Jura an der Bukarest School of Law. Als Sohn eines ehemaligen Ministers, der unter der kommunistischen Regierung im Gefängnis starb, durfte Bentoiu sein Studium jedoch nicht vollenden. 1953-56 Tätigkeit am Institut für Volksmusikforschung in Bukarest, ab 1956 freischaffender Komponist und Musikwissenschaftler.
Nach dem Sturz Ceaucescus wurde Bentoiu zum ersten Präsidenten des rumänischen Komponistenverbands ernannt, verzichtete aber 1992 auf diese Position, um sich seinem Schaffen widmen zu können. Bentoiu erhielt zahlreiche Kompositionspreise in ganz Europa. Unter seinen Studien finden sich zahlreiche maßgebliche Publikationen zu George Enescu, so die Monographie "Hauptwerke Enescus" (1984).

Stefan Niculescu (geb. in Moreni, Dambovita am 31. Juli 1927) studierte 1941-57 am polytechnischen Institut, der königl. Akademie für Musik und darstellende Kunst und der Musikakademie in Bukarest (Komposition bei Mihail Jora). 1966-69 besuchte er die Darmstädter Ferienkurse (Kompositionsklasse Mauricio Kagel), seit 1992 ist er Prof. an der Musikuniversität Bukarest (seit 2000 Ehren-Prorektor), seit 1992 Mitglied der rumänischen Akademie. Bereits Niculescus erste Werke (zwei Kantaten, eine Sinfonie) trugen entscheidend zur Bildung einer ersten rumänischen Avantgarde bei, sein Studium der Werke Enescus führte ihn zur Heterophonie als einer zentralen Kompositionstechnik. In seinem Werk fließen zudem mathematische Einflüsse, das Studium der byzantinischen, gregorianischen und außereuropäischen Musik ein. "Durch Niculescus Musik findet die rumänische Kultur eine neue Beziehung zur 'großen Musik' im allgemeinen" (C. D. Georgescu).

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